Mit "Berufsorientierung individuell" doch noch einen Job gefunden. - Mit "Berufsorientierung individuell" doch noch einen Job gefunden. - Integrationsfachdienst
Berufsorientierung individuell unterstützt Schüler mit Handicap beim Berufseinstieg
Regensburg / Schwandorf – Fast hätte Leonie Glaab die Hoffnung aufgegeben. Nach unzähligen Bewerbungen und 15 Vorstellungsrunden ging der Schulabsolventin mit guter Mittlerer Reife die Puste aus. „In den Gesprächen ging es immer nur um meine Behinderung“, erinnert sie sich. „Was ich kann, interessierte keinen.“ Aufgrund einer Hörbehinderung und einer Auditiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung hat die 17-Jährige einen Grad der Behinderung von 50.
Zum Glück hatte ihre Berufsberaterin von der Agentur für Arbeit noch einen Trumpf parat: Sie bot ihr an, am Programm „Berufsorientierung individuell“ (BI) teilzunehmen, das speziell für Schüler mit Handicap entwickelt wurde, um sie beim Einstieg ins Berufsleben zu unterstützen. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln der Initiative Inklusion durch das Inklusionsamt des Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) Oberpfalz. Beim Integrationsfachdienst Oberpfalz (ifd) fand sie so in Matthias Frieser einen Verbündeten, um einen Arbeitgeber von ihren Qualitäten zu überzeugen. Der ifd ist spezialisiert auf die Unterstützung von Menschen mit (Schwer-) Behinderung im Berufsleben und gehört zur Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg e.V.
Die Rechnung ging auf: Der ifd-Berater konnte den Geschäftsführer der Firma Office Solutions Fleischhauer GmbH in Regensburg, Darius Farahmand, gewinnen, der Schülerin aus dem oberpfälzischen Schwandorf eine Chance zu geben. „Herr Frieser hat uns überzeugt, dass Frau Glaab eine Bereicherung für unser Team sein kann“, sagt der Geschäftsführer. Bereits nach zwei Tagen Praktikum stand für ihn fest, dass er eine neue Auszubildende als Kauffrau für Büromanagement gefunden hat. „Natürlich war klar, dass der Anfang nicht leicht wird“, sagt er. „Aber sie hat uns sofort mit ihrer Wissbegierde überzeugt. Ich war mir sicher, dass in ihr ein großes Potential steckt.“ Da zudem der ifd bei der Beantragung der nötigen technischen Hilfsmittel und der finanziellen Förderungen behilflich war, stand dem Ausbildungsverhältnis nichts mehr im Wege.
„Wir haben es bisher keinen Tag bereut“, zieht Farahmand nach dem ersten Ausbildungsjahr Bilanz. Der Betrieb mit Standorten in Straubing und Regensburg beschäftigt insgesamt 17 Mitarbeiter, vier davon haben eine Behinderung. „Wir haben festgestellt, dass gerade die Bewerber, die es auf dem Arbeitsmarkt schwerer haben, ihre Arbeit bei uns besonders schätzen“, sagt der Geschäftsführer. „Ich kann nur an jeden Arbeitgeber appellieren, habt den Mut, behinderten Menschen eine Chance zu geben.“
Aus seiner Sicht seien es vor allem Vorurteile, die einer Beschäftigung von Menschen mit Handicap im Wege stehen. In seinem Betrieb habe er beispielsweise noch nie Probleme mit dem Kündigungsschutz oder dem Mehrurlaub für Menschen mit Schwerbehinderung gehabt. „Bei uns stimmt das Miteinander, die Wertschätzung für unsere Mitarbeiter ist hoch und so können wir Konflikte im Team lösen“, sagt er. „Den Mehrurlaub geben uns unsere Mitarbeiter durch doppeltes Engagement zurück.“ Auch die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt rund um Fragen der finanziellen und technischen Förderung kann er nur loben. „Die Förderbedingungen waren leicht verständlich und der Ablauf in allen Fällen unproblematisch“, betont er. „Zudem war der ifd immer als Ansprechpartner da.“
Im Fall von Leonie Glaab und der vorliegenden Hörbehinderung war beispielsweise eine spezielle Telefonanlage notwendig, die es der Auszubildenden ermöglicht trotz ihres Handicaps problemlos mit Kunden zu telefonieren. Die Telefonstimmen werden direkt auf das Hörgerät übertragen und Nebengeräusche heraus gefiltert. Direkte Gespräche im Büro erleichtert die sogenannte FM-Anlage, eine drahtlose Signalanlage bei der der Sprechende ein Mikrofon trägt, dass das Gespräch direkt auf das Hörgerät überträgt. Ein separates Büro, in dem es leiser zugeht und in dem wenig Nebengeräusche das Verständnis der Auszubildenden hemmen, runden ihre technische und räumliche Unterstützung ab. „Als Arbeitgeber sollte man bereit sein, über Lösungen nachzudenken“, sagt Farahmand.
In den ersten Monaten stand dem Arbeitgeber und auch der Auszubildenden zudem Matthias Frieser vom Integrationsfachdienst immer mit Rat und Tat zur Seite. Diese Leistung der Ausbildungsbegleitung wurde durch das Inklusionsamt finanziert. „Mit allen Fragen konnten wir uns immer an den ifd wenden“, sagt der Geschäftsführer. Das sei sehr erleichternd gewesen. „So wurde Frau Glaab sehr schnell ein vollwertiges Team-Mitglied. Wir sind stolz auf sie.“
Text und Bild: Martina Groh-Schad